TSV Rot Weiß Auerbach - Volleyball

Sportvereine fühlen sich ausgebremst

Infrastruktur: Neue Halle im Weiherhausstadion soll fehlende Trainingszeiten ausgleichen / Dringender Bedarf für Hockey, Handball und Volleyball

Von unserem Redaktionsmitglied Annette Kunz


Bensheim. Drei Bensheimer Sportvereine schlagen Alarm: „Wir müssen immer wieder Kinder abweisen, es gibt für uns einfach zu wenig Hallenzeiten.“ Valesca Krupa von der Hockeyabteilung der SSG Bensheim findet klare Worte für die ihres Erachtens untragbare Situation. Gemeinsam mit ihren Kollegen von der TSV Auerbach und der HSG Bensheim/Auerbach erläuterte sie bei einem Pressegespräch ihre Sicht der Dinge in Sachen Neubau einer Sporthalle im Weiherhausstadion.

„Am Bedarf vorbei geplant“

Was sich wie ein weiterer Puzzlestein im Hessentags-Wunschkonzert der städtischen Millionen-Investitionen anhört, basiert auf harten Fakten. „Natürlich wurden in den vergangenen Jahren viele Sporthallen gebaut“, bestätigt TSV-Präsident Günther Kuch, „aber es wurde am Bedarf vorbei geplant.“ Die neue Halle am AKG, die Nibelungenland-Halle an der Metzendorf-Schule, die neue Sporthalle des Goethe-Gymnasiums und auch der Neubau an der Karl-Kübel-Schule – allesamt Vorzeigeprojekte, die aber für die Wettkampfmannschaften in den Sportarten Hockey, Handball und Volleyball nicht geeignet seien. „Sie sind zu klein und teilweise zu niedrig“, erläutert Michael Kärchner, Volleyball-Abteilungsleiter der TSV Auerbach.

Hinzu kommt ein gravierender Nachteil der Schul-Turnhallen: Durch den immer weiter in den Nachmittag reichenden Unterricht werden die Zeiten für die Vereinssportler beschnitten. „Wir können oft erst ab 18 Uhr in die Hallen“, sagt Joachim Stumpf (HSG Bensheim/Auerbach). Dann bleiben fürs Training noch dreieinhalb Stunden – für die große Anzahl an Mannschaften reicht das bei weitem nicht aus. Durch die Verschiebung in die Abendstunden werden auch die jüngeren Vereinssportler „ausgebremst“. Ein Jugendtraining für Acht- bis Zehnjährige sollte spätestens um 20 Uhr beendet sein.

Keine Vereinsmüdigkeit

Gerade in den Mannschaftssportarten sei nichts von einer Vereinsmüdigkeit zu spüren, betonen die Vereinsvertreter und belegen dies mit Zahlen aus ihren boomenden Abteilungen. „Wenn wir aber keine vernünftigen Trainingsmöglichkeiten haben, ist die Gefahr, die Kinder wieder zu verlieren, groß“, warnt Jörg Cremer von der SSG.

Dass ihre Klagen nicht an den „Haaren herbeigezogen sind“ belegen Cremer und Krupa mit der Tatsache, dass viele der Kinder- und Jugendmannschaften keine Heimspiele haben, sondern immer auswärts antreten müssen. „Das fördert natürlich nicht gerade die Motivation und ist auch für die Eltern wegen der Fahrtzeiten sehr belastend.“

Da die Umkleideräume immer Weiherhausstadion sowieso saniert werden müssen, bietet sich nach Ansicht der Vereinsvertreter hier eine gute Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Für die Instandsetzung der veralteten Anlagen sind rund 1,1 Millionen Euro veranschlagt. Diese Summe als Grundstock für einen Neubau – inklusiver moderner Umkleiden für die Freiluftsportler – zu nutzen, sei sinnvoll, so Kuch. Der Neubau der TSV-eigenen Halle im Weiherhaus habe rund 700 000 Euro gekostet. „Das müsste doch auch für die Stadt machbar sein“, meint er. Die Sportler bleiben dabei offen für unterschiedliche Denkmodelle. „Uns geht es nicht darum, wem die Halle gehört – wir brauchen lediglich die Zeiten“, betont der TSV-Präsident.

Das enorm große Angebot an Hallensportarten sei für die Attraktivität von Bensheim als familienfreundliche Stadt sehr wichtig. „Da können wir uns durchaus mit dem Angebot in Frankfurt messen“, freut sich Jörg Cremer. Zu einer familienfreundlichen Politik, mit der sich Bensheim ja gerne schmücke, gehöre aber der Erhalt dieser vielfältigen Struktur.

Auch die HSG Bensheim/Auerbach, die mit dem Projekt „Handball bewegt Schule“ schon bei den Kleinsten für ihre Sportart wirbt, sieht dringenden Handlungsbedarf. „Für die Minis brauchen wir unbedingt noch mehr Trainingszeiten“, fordert Stumpf.

Unterstützung bekommen die Vereinsvertreter auch von unabhängiger Seite: Im Sportentwicklungsplan, der 2010 von unabhängigen Gutachtern für die Stadt Bensheim erstellt wurde, wird eine weitere – wettkampftaugliche – Sporthalle dringend empfohlen. Eine Rechnung der ganz anderen Art machte SSG-Vorsitzender Gerhard Boch mit einem weiteren, in Bensheim heiß diskutierten Thema auf: Das Bürgerhaus sei mit 120 Veranstaltungen im Jahr für 600 Stunden genutzt. Bei einer neuen Halle, die den Vereinen pro Tag acht Stunden Trainingszeit biete, käme eine Nutzungsdauer von mehr als 1600 Stunden zusammen – die Ferienzeiten abgerechnet.

Ihren Bedarf haben die Vereine auch den im Stadtparlament vertretenen Fraktionen erläutert. Die CDU/GLB-Fraktion hatte sich bereits öffentlich für den Bau der neuen Sporthalle ausgesprochen. Im Dezember brachte die Koalition einen Antrag auf den Weg, dass erst ein Gesamtkonzept für das Weiherhausstadion erarbeitet werden soll. „Warum hier noch groß ein Konzept erstellt werden muss, wenn der Bedarf doch auf der Hand liegt, ist uns ein Rätsel“, so die Vereinsvertreter.

Mit 7000 Bensheimern in ihren Mitgliederlisten wissen SSG, TV Bensheim und TSV Auerbach ein weiteres schlagkräftiges Argument auf ihrer Seite: „Alle unsere Mitglieder wollen diese Halle – und das sind nicht wenige.“

Bergsträßer Anzeiger
08. Februar 2012

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